VBEW-Positionen zum Wasserstoff in der Energieversorgung

Der Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. – VBEW sieht im Wasserstoff einen wichtigen Energieträger für den so dringend benötigten Ausbau der Sektorkopplung und der Gewährleistung der Versorgungssicherheit in der Energiewende. Dafür bedarf es eines ganzheitlichen Konzeptes und eines Ordnungsrahmens, der zu einem Wasserstoffeinsatz in einem möglichst marktwirtschaftlichen Umfeld führt. Für den breiten Wasserstoffeinsatz auf wirtschaftlicher Grundlage sind noch erhebliche technologische Fortschritte bei der möglichst effizienten Herstellung von Wasserstoff mit einer einhergehenden Kostendegression notwendig.

Deutschland und Bayern verfügen über eine sehr gut ausgebaute Erdgasinfrastruktur mit einem weitverzweigten Leitungsnetz und diversen Speichern mit erheblicher Kapazität. Neben dem Zubau neuer Leitungen für den reinen Wasserstofftransport, bedarf es auch der umgewidmenten Weiternutzung der vorhandenen Erdgasinfrastruktur. Die Wasserstoffbeimischung ist dafür ein erstes kostengünstiges Instrument, zwei Energieträger gleichzeitig zu transportieren und Wasserstoff mit bewährten Technologien in den Energiemarkt für weitere Anwendungen (z. B. im Wärmemarkt) einzuführen.

Die vollständige Wasserstoffbedarfsdeckung, gewonnen aus der heimischen erneuerbaren Stromerzeugung (sog. „grüner Wasserstoff“), wird aufgrund gegebener Flächenrestriktionen und der fehlenden Akzeptanz der Bevölkerung für die dafür notwendigen zusätzlichen Stromerzeugungsanlagen auch langfristig nicht möglich sein. Wir werden daher Wasserstoff in bedeutsamen Mengen dauerhaft importieren müssen. Diese Strategie leistet auch einen Beitrag dafür, dass sich die Volkswirtschaften in einer global vernetzten Welt gemäß ihrem Leistungsvermögen und spezifischen Potential gegenseitig unterstützen sowie der bisherige fossile Energieimport durch einen nachhaltigeren Energieträger ersetzt wird.

Nichtsdestotrotz ist der Ausbau der heimischen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien zur Gewinnung von Wasserstoff weiter zu forcieren. Dafür steht in Bayern im Wesentlichen die Stromerzeugung aus Sonnen- und Windenenergie zur Verfügung. Da diese Potentiale sehr volatil anfallen, ist deren Speicherung auch über Wasserstoff erforderlich. Erneuerbare Energien und Wasserstoff bedingen einander. Somit erfordert der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien quasi den Einstieg in eine breit angelegte Wasserstoffwirtschaft.

Der ausschließliche Fokus auf „Wasserstoff aus erneuerbaren Energien“ schränkt die Menge an verfügbarem klimaschonenden Wasserstoff ein und erschwert somit auch insbesondere in Bayern die Etablierung einer schnell hochlaufenden Wasserstoff-wirtschaft. Daher muss Wasserstoff generell unabhängig von der Gewinnungsmethode anhand des CO2-Minderungspotentials bewertet werden. Das gilt insbesondere für den Import. Bei jeglicher Gewinnungsform, heimisch wie ausländisch, muss daher stets über eine transparente Gesamtbetrachtung die Treibhausgasintensität über die vollständige Produktionskette bewertet und die Nachhaltigkeit eventueller CO2-Abscheidungs- und Speicherkonzepte nachgewiesen werden. Zumindest in Deutschland sind bei der Wasserstoffgewinnung aus Erdgas durch Dampfreformation mit anschließender CO2-Speicherung (sog. „blauer Wasserstoff“) erhebliche Akzeptanzhindernisse zu überwinden. Anders sieht es bei der Methan-Pyrolyse aus Erdgas aus, bei der neben Wasserstoff nicht CO2 sondern stofflich wiederverwendbarer Kohlenstoff (sog. „türkiser Wasserstoff“) erzeugt wird. Mit dieser Technologie können in der Perspektive gerade in Bayern große Mengen an Wasserstoff mit einem geringen CO2-Fußabdruck erzeugt werden. Den Ausbau der Gewinnung von Wasserstoff aus fossilen Brennstoffen (sog. „grauer Wasserstoff“) ohne CO2-Speicherung halten wir für nicht zielführend.

In der Industrie gilt es, den Einsatz von Wasserstoff vornehmlich bei den Prozessen voranzutreiben, die mit herkömmlichen Technologien nicht CO2-frei zu gestalten sind (z. B. Zement- und Stahlherstellung). Bei steigender Verfügbarkeit von Wasserstoff müssen jedoch auch andere Produktionsprozesse durch Wasserstoff dekarbonisiert werden. Dies gilt immer dort, wo Wasserstoff sich zur volks- und betriebswirtschaftlich günstigeren Produktionsalternative entwickelt hat.

Den Einsatz von Wasserstoff im Mobilitätssektor sehen wir immer dort, wo der direkte Einsatz von Elektrizität (leitungsgebunden bei der Bahn oder mittels Batterien beim PKW) technisch nicht sinnvoll oder machbar ist (z. B. beim Flug- und Seeverkehr sowie Schwerlastverkehr auf der Straße). So benötigt ein mit Wasserstoff betriebener PKW einen etwa um den Faktor 2,5 höheren Primärenergieeinsatz als ein direkt mit erneuerbarem Strom betriebenes Batterieauto.

Nicht nachvollziehen können wir die politische Meinung, dass die Verwendung von Wasserstoff als Energieträger im Wärmemarkt keine tragende Rolle spielen wird. Die vorhandene Gasinfrastruktur kann auch in einer zukünftigen Wasserstoffwirtschaft Beiträge zur Wirtschaftlichkeit der Energieversorgung leisten. So kann das Gas in den Leitungen Schritt für Schritt durch die Beimischung von verschiedenen dekarbonisierten Gasen (Bio-Erdgas, Wasserstoff und synthetischem Gas) zur treibhausgasneutralen Wärmeversorgung beitragen. Die Gaswirtschaft ist bereit, dazu ihren Beitrag durch Ertüchtigung der Netze und der Verbrauchseinrichtungen zu leisten. Gerade angesichts der Verschärfung der Klimaziele durch den European Green Deal, die auch im Gebäudesektor deutliche Wirkung entfalten wird, darf auf Wasserstoff im Wärmemarkt nicht verzichtet werden. Der Einsatz von Wasserstoff im Wärmemarkt muss eine faire Chance erhalten.

Die Energiewirtschaft in Bayern ist bereit, bei der Gewinnung, beim Transport und bei der Anwendung von Wasserstoff eine tragende Rolle einzunehmen. Wir benötigen dafür von der Politik geschaffene langfristig verlässliche, möglichst EU-weit gültige Rahmenbedingungen, die unseren Mitgliedsunternehmen einen wirtschaftlich tragfähigen Einsatz von Wasserstoff als Energieträger in Bayern ermöglichen. Zur Schaffung einer europäischen Infrastruktur für klimaneutrale Gase muss der regulatorische Rahmen harmonisiert und standardisiert werden. Investitionsleistungen zur Umwidmung der vorhandenen Erdgasinfrastruktur in eine Wasserstoffinfrastruktur müssen regulatorisch angereizt werden. Um einen breiten Marktzugang zu ermöglichen, bietet sich die Regulierung der Wasserstoffnetze für die öffentliche Versorgung analog der Gas- und Stromnetze an. Für deren Erarbeitung bieten wir unsere Unterstützung an.

Wasserstoff ist ein leicht entzündliches Gas und hat eine hohe Diffusionsneigung durch viele Werkstoffe. Die damit verbundenen Gefahren sind durch entsprechende Sicherheits- und Materialkonzepte zu beherrschen. Bei der Gewinnung, dem Transport und der Anwendung wird die bayerische Energiewirtschaft höchste Maßstäbe an den sicheren Einsatz von Wasserstoff stellen. Bei der Verwendung von Wasserstoff ist von allen Beteiligten professionelles Handeln gefragt

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Stand: 17.11.2020
Az. 182