VBEW-Positionen zur Regulierung der Strom- und Gasverteilernetze

Die Strom- und Gasnetzbetreiber gewährleisten den diskriminierungsfreien Zugang zu ihren Netzen und leisten einen entscheidenden Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung der Energiewende in Bayern. Sie treiben die Sektorkopplung, die Digitalisierung und die Flexibilisierung in ihren Netzen und bei ihren Kunden voran. Die Regulierungsbehörden genehmigen die Erlöse, welche die energienachfragenden Kunden über die Netzentgelte an die Netzbetreiber zu entrichten haben. Sie treffen weitreichende Entscheidungen zu netz- und energiewirtschaftlichen Prozessen mit substanziellen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Grundlage der Netzbetreiber. Regulierungsbehörden und Netzbetreiber müssen daher vertrauensvoll zusammenarbeiten, um den Netzzugang auf gesetzlicher, sachlich belastbarer Grundlage und zu angemessenen Kosten für die Netznutzer ermöglichen zu können. Augenmaß und Pragmatismus müssen wieder stärkerer Maßstab bei der Regulierung sein. Stand bislang eine akademisch geprägte Bestandsoptimierung im Vordergrund, gilt es nun, die Netze in einem hohen Tempo für die Energiewende einschließlich der Themen Sektorenkopplung, Digitalisierung und Flexibilisierung um- und auszubauen. Das Regulierungsregime muss daher noch dynamischer auf die sich ändernden und wachsenden Aufgaben der Verteilernetzbetreiber reagieren. Die Regulierungsbehörden müssen noch besser für einen fairen Ausgleich der Interessen der Netznutzer und der Netzbetreiber sorgen. Ihre politische Unabhängigkeit muss gewährleistet sein.

Der administrative Aufwand zur Bewältigung der Regulierungsbürokratie ist im Rahmen der Anreizregulierung enorm angestiegen. Damit ist ein wesentliches ursprüngliches Ziel nach einer Reduktion der Regulierungsbürokratie verfehlt. Zusätzlich erschweren langjährige Gerichtsverfahren die Planbarkeit der Erlössituation der Netzbetreiber und führen zu hohen letztendlich von den Netznutzern zu tragenden Kosten. Das Ziel muss ein Ordnungsrahmen sein, welcher vor allem wieder unternehmerische Anreize für einen optimalen Netzbetrieb setzt und es allen Netzbetreibern unabhängig von ihrer Größe ermöglicht, die Regulierungsbürokratie mit einem vertretbaren Aufwand zu bewältigen.

Die langen Abschreibungs- und Nutzungsdauern der netztechnischen Anlagen erfordern einen stabilen Investitionsrahmen. Die Netzbetreiber müssen sich auf einmal festgelegte Rahmenbedingungen für den Bestand ihrer Anlagen dauerhaft verlassen können. In der nächsten Regulierungsperiode haben die Netzbetreiber auf Grundlage der bisherigen Ermittlungsgrundlage keine angemessene Eigenkapitalverzinsung mehr zu erwarten. Erschwerend kommt hinzu, dass neue kostenträchtige Aufgaben für die Netzbetreiber regelmäßig keinen erlöswirksamen Niederschlag im Regulierungsregime finden und von der, von den Regulierungsbehörden zugestandenen Verzinsung, „bezahlt“ werden müssen. Die Investoren der Energiewende erwarten aber zu Recht einen investitionsfreundlichen Ordnungsrahmen mit angemessenen Zinssätzen für die Energienetze. Dieser ist derzeit nicht gegeben und gefährdet damit die Umsetzung der Energiewende mit allen damit zusammenhängenden Themen.

Ein Unterschied hinsichtlich der Produktivitätsentwicklung zwischen der Energienetzwirtschaft und der Gesamtwirtschaft zu Lasten der Energiewirtschaft lässt sich seriös nicht ermitteln. Der sektorale Produktivitätsfaktor hat daher in der nächsten Regulierungsperiode zu entfallen oder ist alternativ auf eine sachlich nachvollziehbarere Berechnungsgrundlage zu stellen, die auch einen negativen Wert zulässt.

Der Effizienzvergleich unter den Netzbetreibern muss sachgerecht und vor allem stabil sein. Die Wiedereinführung und Weiterentwicklung von Pflichtparametern würde zu mehr Verlässlichkeit im Effizienzvergleich führen. Änderungen an der systematischen Vorgehensweise zur Effizienzvergleichsdurchführung dürfen nicht zu einer Verschlechterung des Effizienzwertes für einen Netzbetreiber führen. So ist es nicht nachzuvollziehen, dass deswegen Netzbetreiber nach mehreren Regulierungsperioden eine Verschlechterung ihrer Effizienz hinnehmen müssen. Nach drei Anreizregulierungsperioden sind bei den Netzbetreibern ggf. vorhanden gewesene Ineffizienzen abgebaut. Eine Neuausrichtung der Anreizregulierung auf die zahlreichen Herausforderungen der Netzbetreiber ist erforderlich. Die Philosophie der Bestandsoptimierung der letzten Jahrzehnte hat ausgedient.

Es müssen Anreize gesetzt werden, damit Netzbetreiber bei der Weiterentwicklung ihrer Netze neben dem klassischen kapitalkostengetriebenen Netzausbau auch alternative innovative Lösungsansätze prüfen und damit die effizienteste Lösung auswählen können. Dazu gehört auch eine angemessene finanzielle Honorierung der Vermeidung von Netzausbaukosten durch angefallene operative Kosten. Kosten zur Optimierung und höheren Auslastung der Bestandsnetze müssen regulatorisch anerkannt werden.

Das Land wird zunehmend zum Energieversorger der Stadt mit erneuerbaren Energien. Die Lieferung erfolgt über die Energienetze. Die durch den Anschluss von Erzeugungsanlagen erforderliche Netzkapazitätsvorhaltung im ländlichen Raum ist derzeit ein Treiber der Netzkosten und ihrer Verteilung auf die Kostenträger in den regionalen Netzen vor Ort. Diese regionale Schieflage wird sich in den nächsten Jahren vergrößern und dem muss durch eine verursachungsgerechtere Anpassung bei der Ermittlung und Verteilung der Netzkosten entgegengewirkt werden (siehe Punkt 8.).

Kostenträger in den Netzen sind ausschließlich die energieentnehmenden Verbraucher. In vielen Netzgebieten ist aber die Einspeisung von Energie der Treiber der Netzkosten und nicht mehr deren Entnahme. Eine Kostenbeteiligung beispielsweise durch einen einmaligen Baukostenzuschuss und/oder über einen fortlaufend zu entrichtenden Infrastrukturkostenbeitrag erhöht die Kostenverursachungsgerechtigkeit in den Netzen und entlastet die Verbraucher in Netzgebieten mit hohen, durch Erzeugungsanlagen verursachten, Netzkosten (siehe Punkt 7.).

Die steigende Verantwortung der Verteilernetzbetreiber für die Systemstabilität muss vom Regulierungsregime stärker honoriert werden. Jeder Netzbetreiber hat die Verantwortung für sein Netz und die Steuerung der bei ihm angeschlossenen Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen zu netz- und systemdienlichen Zwecken bestmöglich zu leisten und muss die dafür anfallenden Kosten von Regulierungs-behörden erlöswirksam anerkannt bekommen.

Die Netze der allgemeinen Versorgung gewährleisten einen diskriminierungsfreien Netzzugang für Erzeugungs- und Verbrauchsanlagen von jedermann. Sie unterliegen einem aufwändigen und kostenträchtigen energiewirtschaftlichen Ordnungsrahmen. Die angeschlossenen Verbraucher zahlen über Netzentgelte, Abgaben und Umlagen die entstehenden Kosten für die Weiterentwicklung der Netze. Kundenanlagen und geschlossene Verteilernetze, die dem Charakter eines Netzes der allgemeinen Versorgung nahekommen, dürfen bei diesem solidarischen Kostentragungsprinzip nicht bevorteilt werden und sich der Regulierung ihrer Anlagen entziehen.

Die zunehmend volatile Stromerzeugung erfordert neben der Schaffung von Speichern und ausgleichenden Erzeugungsanlagen im Netz auch die Nutzung von Flexibilitätspotentialen bei den Netznutzern. Die Nutzung der Potentiale unterbrechbarer, steuerbarer oder zeitlich aufschiebbarer Netznutzung schafft die Grundlage, den notwendigen Netzausbau auf ein volkswirtschaftlich vertretbares Maß zu begrenzen. Hierzu benötigt der Netzbetreiber technische und finanzielle Möglichkeiten, die Kundenflexibilität möglichst komfortabel und gezielt anreizen zu können.

Die Verteilernetzbetreiber ermöglichen durch den Anschluss von Anlagen zur Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien die Energiewende. Um dieser Aufgabe und Verantwortung gerecht werden zu können, benötigen sie alle im Sinne der Systemsicherheit relevanten Daten. Die Netznutzer erwarten zu Recht einen investitionsfreundlichen Ordnungsrahmen für die Netzbetreiber. Denn nur dann werden diese ihre Anschlussbegehren zielgerichtet und zügig umsetzen können. Der Messstellenbetrieb muss dafür wieder in den Netzbetrieb eingegliedert werden können.

Der Gasnetzbetrieb mit Erdgas wird spätestens im Jahr 2050 beendet sein. Der Energieträger Gas erfreut sich derzeit einer steigenden Nachfrage bei vielen Anwendungen (Industrieprozesse, Wärmeanwendungen, Stromerzeugung). Die Verwendung von Gas birgt viele Chancen für die Umsetzung der Sektorkopplung und den Ausgleich der volatil und jahreszeitlich anfallenden Strommengen aus Sonne und Wind. Die Gasnetzbetreiber benötigen auf Grundlage der langen Abschreibungs- und Nutzungsdauern ihrer Anlagen eine langfristige wirtschaftliche Perspektive für den Netzbetrieb. Die technischen Voraussetzungen sind dafür mit dem Transport von grünen Gasen über die vorhandene Infrastruktur gegeben.

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Verband der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V.

Stand: 29.03.2021
Az. 182