15.07.22

Windkraftausbau Bayern: Im Norden hui, im Süden pfui!

In den letzten Jahren ist der Windkraftausbau in Bayern massiv ins Stocken geraten. Bayerische Sonderwege wie die sog. 10 H-Regelung haben dazu erheblich beigetragen. „Mit dem neuen Gesetzentwurf zur Reform der Bayerischen Bauordnung, der Ausnahmetatbestände von Mindestabständen von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung regelt, soll dem Windkraftausbau neuer Schwung verliehen werden, was wir grundsätzlich sehr begrüßen“, kommentiert Detlef Fischer, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie und Wasserwirtschaft e.V. – VBEW, die geplanten Gesetzesänderungen. „Der Teufel liegt allerdings wie so oft bei der Energiewende im Detail, denn mit den Neuregelungen werde die regional sehr ungleiche Zubauverteilung fortgeschrieben“, so Detlef Fischer weiter. „Wir halten es schon aus regionenübergreifenden Akzeptanzgründen daher für notwendig, dass sich alle Gebiete in Bayern am Ausbau der Energiegewinnung an erneuerbaren Ressourcen möglichst in gleichem Ausmaß beteiligen. Das gilt für das Land wie für die Städte und das gilt auch für die landschaftlich und touristisch besonders attraktiven Gebiete. Die Energiewende ist eine Gemeinschaftsaufgabe für ganz Bayern.“

Die aktuellen Daten des Energieatlas Bayern zeigen, dass die heute installierte Windkraftleistung in den bayerischen Regionen sehr ungleich verteilt ist. „Ein Grund ist sicherlich, dass beim Ausbau zunächst die windhöffigsten Standorte erschlossen wurden. Doch auch im Süden und Südosten Bayerns gibt es viele geeignete Standorte, die bislang gar nicht in Angriff genommen worden sind. Und wo die Windkraft nicht geht, müssen eben andere erneuerbare Energien ausgebaut werden. Derzeit drängt sich schon der Verdacht auf, dass einzelne Regionen gezielt ‚geschont‘ werden sollen“, unterstellt Detlef Fischer. „Besonders die Grundsatzstrategie, dass Erleichterungen beim Mindestabstand zukünftig immer dort eingeführt werden, wo die Landschaft in ihrer natürlichen Eigenart bereits beeinträchtigt oder vorgeprägt ist, gilt es zu hinterfragen. Sie führt auf alle Fälle dazu, dass nicht immer die windhöffigsten Standorte erschlossen werden können und die Bürger vom Ausbau der heimischen Energieproduktion in unterschiedlicher Weise profitieren werden. Im Grunde soll dann die Bevölkerung in den vom Ausbau betroffenen Gebieten die Bevölkerung in den nicht betroffenen Gebieten mit Strom versorgen. „Man muss sich schon Sorgen machen, wie sich insbesondere die bayerischen Alpenregionen künftig mit Energie versorgen wollen. Windkraft ist dort nicht erwünscht, Freiflächen-Photovoltaikanlagen sind in den Alpenplan-Regionen quasi ausgeschlossen, neue Wasserkraftwerke werden regelmäßig von den Naturschützern verhindert. Da bleibt dann nicht mehr viel Auswahl übrig“, stellt Detlef Fischer fest.

Vor diesem Hintergrund erscheint die Regelung, dass sog. „vorbelastete“ Gebiete ebenfalls in die Ausnahmeregelung von 10 H fallen, kontraproduktiv. Das wird dazu führen, dass viele Gemeinden nicht mehr bereit sind, in ihrem Umfeld eine der als Voraussetzung für eine Vorbelastung genannten Infrastrukturmaßnahmen zu akzeptieren, da ihr Gebiet dann als vorbelastet gilt und damit weiteren „Belastungen“ ungeschützt ausgesetzt werden darf. Letztendlich besteht die Gefahr, dass der Ausbau der Energiegewinnung aus erneuerbaren Ressourcen zumindest bei größeren Projekten dadurch ausgebremst wird. „Langfristig wird sich so eine Zweiklassengesellschaft in Bayern herausbilden“, warnt der VBEW-Hauptgeschäftsführer. „In den einen Gebieten wird die Landschaft bewahrt und in den anderen Gebieten massiv verändert. Es darf nicht so sein, dass sich der Ausbau der erneuerbaren Energien indirekt proportional zu den Grundstückspreisen der jeweiligen Region entwickelt, wie der Status Quo geradezu den Eindruck vermittelt.“

Die beste Lösung für Bayern wäre aus Sicht des VBEW, auf bundesländerspezifische Mindestabstandsregeln für Windkraftanlagen grundsätzlich zu verzichten. Der Umbau der Energieversorgung ist eine nationale Aufgabe, einzelne Sonderwege verringern nur die gesamtdeutsche Akzeptanz des notwendigen Windkraftausbaus und erhöhen die Bürokratie. „Wir halten daher den vollständigen Entfall der sog. 10 H-Regelung weiterhin für geboten. Gleichwohl sind wir zuversichtlich, dass die Bayerische Staatsregierung mit den geplanten Ausnahmeregelungen dem Ausbau der Windkraft in Bayern zumindest wieder etwas neuen Schwung verleihen wird. Ebenso positiv sehen wir daher die Überlegungen der Staatsregierung, die Errichtung von Windkraftanlagen in der Nähe eines der 108.000 bayerischen Denkmäler zukünftig zu vereinfachen. Letztendlich müssen wir die Zukunft gestalten und nicht die Vergangenheit auf den Sockel stellen“, resümiert Detlef Fischer.

 


Bild: Windenergie in Bayern – installierte Leistung je Gemeinde bzw. pro Hektar (Quelle: Energieatlas Bayern, Stand: Juli 2022)

 

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